Warum ist Usability eigentlich so wichtig?

Usability ist nicht der Zuckerguss, der am Ende drüber gegossen wird, sondern das Mehl, das alles gut zusammenhält. Auch alle Funktionen und technischen Aspekte haben Auswirkungen auf die Bedienbarkeit. Die Belange der Nutzer bereits am Anfang zu berücksichtigen, zahlt sich insgesamt aus, denn diese bezahlen mit ihrem Geld, ihrer Aufmerksamkeit oder ihrer Anerkennung. So wie zu einem erfolgreichen Auftritt mehr gehört als die richtige Kleidung – eben auch die korrekten Umgangsformen, Körperhaltung und sprachlichen Codes –, so gehört zu einer guten Software die Usability essenziell dazu. Sonst erhält man den „Proll im Anzug“ oder den „Ritter im Penner-Look“, und beide bieten keinen guten Gesamteindruck.

… Usability kostet nichts extra, wenn sie von Anfang an einbezogen wird. Gute Usability kann die Summe aller entstehenden Kosten über den gesamten Life-Cycle einer Software oder Webseite verringern.

… Wissen kann von einer Software oder Webseite auf eine andere übertragen werden und muss nicht für jede Anwendung separat erlernt werden.

… Sie werden rascher zu Experten, können schneller arbeiten und dadurch mehr schaffen.

… Die Nutzer machen weniger Fehler, und es werden weniger Ressourcen für den Support benötigt.

… Die praktische Erfahrung bestätigt, dass eine gute Planungsstunde zehn schlechte Reparatur-, Schulungs- oder Entwicklungsstunden spart. Das Thema Usability kann einen guten „Vorwand“ bieten, um bereits in der Konzeptions- oder Planungsphase kostenintensive Nutzerprobleme zu identifizieren und zu vermeiden. Jede realistische Projektkalkulation berücksichtigt die voraussichtlichen direkten und indirekten Gesamtkosten für die gesamte Lebensdauer: Schulung, Wartung, Nachbesserung, Pflege, Erweiterung, Änderungen, verbaute Wege.

… Furcht vor der Korrektur von zu großem oder zu komplexem Code

Was in dem jeweiligen Moment Zeit und Ressourcen spart, muss durch zusätzliche Ressourcen in der Zukunft ausgeglichen werden. Änderungen sind aufwändig, weil die ursprüngliche Lösung nur auf einen unflexibel-konkreten Fall zugeschnitten wurde. Jede Nachbesserung beinhaltet die Folgekosten des erneuten Bereitstellens und Aktualisierens, auch wenn diese Prozesse stark automatisiert ablaufen können, so sind sie dennoch nicht umsonst zu haben. Der Entwickler selber versteht seinen Code nach einigen Monaten bereits selbst kaum noch und benötigt lange, um dessen Funktionsweise nachzuvollziehen und eine Änderung vorzunehmen. Ist es nicht sein eigener Code, ist die Wartung ohne Coding-Standards für ihn unanständig aufwändig. Die Problemliste, die Wikipedia bei „Anti-Pattern“ auflistet, bietet viele Anregungen, was es zu vermeiden gilt.

So lassen sich durch besseres Arbeiten an aktuellen Projekten deren technische Schulden in der Zukunft reduzieren, was Ressourcen freisetzt.

… Die Nutzerdokumentation muss dem aktuellen Stand der Software oder Webseite entsprechen. Wird sie parallel erstellt, hat das oft positive Auswirkungen auf die Konzeption, da durch die Textform einige Aspekte auffallen, die sonst übersehen werden. Für die Dokumentation ist eine geeignete Struktur zu wählen, und auch für die Dokumentation gilt der Usability-Anspruch: gut verständlich, leicht zu nutzen, passend zu den Nutzerzielen strukturiert.

… Das Format ist etabliert, und wenn es gut angewendet wird, stellt es einen wirklichen Mehrwert dar.

… Über solche und ähnliche Fragen lässt sich auch ein komplexer Webshop gut dokumentieren. Die Antworten beschränken sich dabei jeweils auf die konkrete Frage, unterstützend sind sie untereinander verlinkt. Dies ist oft nicht möglich, daher gibt der erste Absatz eine allgemeine Antwort, und weitere Absätze beschreiben Details oder geben ergänzende Hinweise.

Für Software ist der sehr ähnliche „Wie tue ich“-Ansatz geeignet. Dabei werden die Aufgaben aus Nutzerperspektive benannt und anschließend die nötigen Schritte in der korrekten Reihenfolge beschrieben

… Cursor an der Stelle platzieren, wo das Bild erscheinen soll. [„erscheinen“ = Ziel des Nutzers]

… Im Menü „Einfügen“ den Eintrag „Bild“ anklicken. [genaue Angabe des Ortes und der Aktion]

… [Angabe, wie die Aktion ausgelöst wird – das hört sich schon nach fast fertig an.]

… Durch Rechtsklick auf das Bild erhalten Sie Möglichkeiten zur Formatierung des Bildes, diese sind in Kapitel XY beschrieben. [Hinweise zu wahrscheinlichen Folgeaktionen] Auf diese Weise wird jede Funktion (ausgehend von der Nutzeraufgabe) auf ein bis maximal zwei Seiten beschrieben. Zur Software-Dokumentation gehört noch mindestens ein Kapitel, das die Elemente und deren Grundbedienung sowie das Bedienparadigma vorstellt. Auch wenn viele Nutzer die Dokumentation nicht lesen, wissen sie doch, dass sie da ist. Bereits ihr Vorhandensein und die Möglichkeit, im Bedarfsfall auf sie zugreifen zu können, erhöhen das Sicherheitsgefühl erheblich. Dazu wird sie an geeigneten Stellen im Programm integriert und der Aufruf sowie die Recherche darin sind einfach möglich. Ergänzend ist an möglichst vielen Stellen die entsprechende Hilfe-Seite aufrufbar (oft als „?“-Icon). Auch Kurztexte in der Oberfläche verlinken für detaillierte Informationen auf entsprechende Hilfe-Seiten.

… „Design ist nicht nur, wie es aussieht oder sich anfühlt. Im praktischen Alltag bietet sich eine Trennung an: Design ist das konkrete Aussehen, Usability umfasst alle Aspekte der Bedienung, auch

… Das Design beschreibt bei Software und Webseiten „lediglich“ die Optik. Die Usability dagegen gibt an, wie gut etwas benutzbar ist, damit ist sie ein funktionales Kriterium, das nicht von persönlichem Geschmack abhängig ist.

Das Design ist der sichtbarste Aspekt der Usability, doch besitzen auch viele Programme und Webseiten ohne aufwändige Gestaltung eine hohe Usability.

… Nutzern fällt es in Designexzessen schwer, das gewünschte Bedienelement schnell zu finden, oder die Gestaltung verstellt den Blick auf die Funktionalität. Der Umkehrschluss gilt übrigens nicht, eine hässliche Webseite oder Software besitzt nur selten eine gute Usability – dieser Eindruck entsteht auch dadurch, dass schlecht bedienbare Webseiten und Programme schneller als hässlich wahrgenommen werden als gut bedienbare. Wenn sich der Designer an das FFF-Credo („Form follows function“) hält, dann unterstützt das Design die Usability.

Wieso gibt es Probleme, obwohl alle Standards befolgt werden?

… Explizite Standards wie Normen beschreiben die Funktion, implizite Standards wie das Corporate Design beziehen

… Ist der gewählte Standard überhaupt für die Aufgabe geeignet?

… Benötigen die Nutzer eine andere Motivation, als sie der Standard ermöglicht?

… Hilft der gewählte Standard, Fehler-Risiken zu mindern und die Sicherheit zu erhöhen?

… Unterstützt der gewählte Standard die subjektive Zufriedenheit und das Vertrauen der Nutzer?

… Kann der Standard die Erwartungen in Effektivität, Effizienz und Performance erfüllen?

… Passt der Standard zum Preis des Produkts und den verfügbaren Entwicklungsressourcen?

… Indem von Anfang an mindestens eine Person, die sich mit deren Anforderungen und Umsetzung auskennt, in das Projekt einbezogen wird. Diese hat bei allen Usability-Aspekten die Entscheidungsbefugnis und kann in den anderen Feldern als Moderator fungieren. Eine offene, konstruktive und sachlich-kritikfähige Arbeitsumgebung lässt Usability fast von allein entstehen. Praktisch ist es von Vorteil, wenn die Beteiligten außerhalb ihrer fachlichen Kompetenz fordernde Hobbys betreiben, beispielsweise ein Instrument spielen, Modelleisenbahnen bauen, Autos reparieren oder kunstgewerbliche Stücke anfertigen.

… Analog lässt sich auch fragen: Warum essen wir ungesund, obwohl wir wissen, wie wichtig eine gesunde Ernährung ist? Wer Hunger oder Appetit hat, konsultiert nicht die Ernährungspyramide und Nährstofftabellen, sondern das umgebende Nahrungsangebot, seine Brieftasche und die Umstände. Die Portion Pommes, das Glas Cola, der Burger, das zerkochte Gemüse, das Weißbrot, die Extra-Portion Fleisch, der Fertigpudding, die süßen Corn Flakes – darauf habe ich gerade Appetit, die werden mich schon nicht umbringen, außerdem sind sie günstig.

… Jeden Tag ein halbes Kilo frisches Obst und Gemüse vorzuhalten und zuzubereiten, ist viel zu aufwändig. Ungesundes Essen bringt uns nicht um, verringert nur unsere Chancen auf gute und beständige Gesundheit; der Zyniker stirbt sowieso nicht an Ungesundheit, sondern an einem Unfall oder einer neuen Krebsart.

Jeden Tag gesund zu essen fordert genauso wie das Erreichen guter Usability:

… Blick auf mittel- und langfristige statt kurzfristiger Effekte – taugt allenfalls als rationales, aber nicht als sinnliches oder situatives Argument.

… Im Gegensatz zu ungesundem Essen äußern sich die Effekte guter Usability eher, unmittelbarer und besser erkennbar. Sie haben betriebswirtschaftliche Auswirkungen, während potenzielle Gesundheitsprobleme eine Hypothek für die eigene Zukunft und die gesellschaftlich finanzierten Gesundheitssysteme aufnehmen. Wer den Wechsel zu bewusster und gesunder Ernährung geschafft hat, weiß um die Vorteile und das verbesserte Körpergefühl. Genauso wissen jene Teams, die Usability fest in ihre Projekte integriert haben, um die positiven Auswirkungen. Alle anderen leben auch (irgendwie) und verzichten auf gute Chancen für ein besseres Leben oder erfolgreicheres Projektergebnis.

… Dabei geraten auch Faktoren außerhalb der Software oder Webseite in die Betrachtung.

… bei einer telefonischen Support-Hotline, die Verpackung der Lieferung, der Umgang mit Retouren, die Präsentation in Katalogen, Broschüren oder Anzeigen. Bei Software gehören beispielsweise die Verpackung, Präsentation auf der Internetseite oder im Katalog, die Produktbeschreibung und Nutzerdokumentation, der Support, der Installations- und Aktualisierungsprozess zum Gesamterlebnis.

Ergänzend wirken sich die Leistungsfähigkeit des eigenen Geräts sowie die Internetgeschwindigkeit auf die UX aus. Bei der Konzeption sind daher die realen Verhältnisse zu berücksichtigen, die auf Nutzerseite herrschen.

… bei Mobilgeräten ist das technische Spektrum sehr breit, daher ist die Geräteverteilung unter den Nutzern bei der Entwicklung zu berücksichtigen. Historisch hat sich die User Experience aus den Ansprüchen des Architekten entwickelt.

… Je nach Objekt (Gebäude, Kleidung, Software, etc.) fällt die Gewichtung der Aspekte unterschiedlich aus.

Die ISO 9241-210 definiert User Experience über die Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die sich bei der Benutzung oder der erwarteten Verwendung eines Produkts ergeben.

… Um die emotionale Wirkung zu steigern, ist es gelegentlich angebracht, mit Konventionen oder Regeln (und dadurch mit den Erwartungen) zu brechen. So lassen sich gezielt Akzente setzen oder Reibeflächen erzeugen, die das Verhältnis zum Produkt intensivieren.

Quelle: http://www.axin.de/data/_uploaded/file/PDF/user-inter-face-design-auszug.pdf